Praxisführung

„Der verhütete Hautkrebs ist der beste!“

Hautkrebs nimmt zu. Weltweit ist er die häufigste Krebserkrankung. Um ihn rechtzeitig zu erkennen und schwere Krankheits- oder gar Todesfälle zu vermeiden, wurde in Deutschland im Jahr 2008 das Hautkrebsscreening eingeführt. Der Dermatologe Dr. Ralph von Kiedrowski ist Präsident des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen (BVDD). Ursula Katthöfer (textwiese.com) fragte ihn, was das Hautkrebsscreening inzwischen für die Versorgung bedeutet.

Während der Coronapandemie haben viele Menschen Krebsfrüherkennungstermine nicht wahrgenommen. Wie ist die Situation beim Hautkrebsscreening?
Sie ist aus zwei Gründen ähnlich. Zum einen sagten in der Frühphase der Pandemie im Frühjahr 2020 viele Praxen Termine ab. Denn das Hautkrebsscreening ist eine körpernahe Untersuchung. Abstand zu halten ist nicht möglich. Die Patienten wurden gebeten, nur bei einem Verdachtsbefund zu kommen. Zum anderen kamen ältere Patienten, die bei Hauttumoren zu den Risikopatienten zählen, von sich aus nicht in die Praxen. Das führt zu zwei Dingen: Wir erleben nun Hauttumorerkrankungen in fortgeschrittenem Stadium. Und Untersuchungen, die damals ausfielen, lassen sich wegen der engen Terminpläne in den Praxen nicht sofort nachholen. Es entstehen weitere Verzögerungen.

Bundesweit haben sich ca. 40.000 Dermatologen und Hausärzte schulen lassen, um im Rahmen eines Screenings die verschiedenen Hautkrebse und etwaige Vorstufen zu diagnostizieren. Reicht diese Zahl aus?
Darüber führen wir eine ausführliche Diskussion. Als BVDD überlegen wir, wie das Screening 2025 oder 2030 aussehen sollte. Es wird zurzeit sehr gut angenommen. Die Frage ist, ob wir zu einer risikoadaptierten Untersuchung kommen sollten. Denn in den Praxen haben wir wegen Teilzeit und Angestelltenverhältnissen schwindende Sprechstundenzeiten. Da die „Babyboomer“ unter den Hautärzten nun in den Ruhestand gehen, sinkt außerdem die absolute Zahl der Ärzte. So entsteht ein ganz schwieriger Konflikt: Was die Patienten sich wünschen, ist nicht machbar. Politik und Kostenträger machen ein unbegrenztes Leistungsversprechen. Der Fokus liegt zu sehr auf den neuen Patienten, für sie gibt es extrabudgetäre Mittel. Die Politik übersieht den Anteil chronisch kranker Menschen, die z. B. zur Nachsorge müssen. Wenn wir Patienten mit Bagatellen aus den Praxen heraushalten könnten, wären der Ärztemangel und die Wartezeiten nicht so immens.

Könnte die Telemedizin Hautarztpraxen entlasten?
Als digitales Fach überlegen wir telemedizinische Konzepte. Bei der Nachsorge könnte ich mir Einzelkontrollen per Video vorstellen. Aber in der Diagnostik gibt es klare Einschränkungen. Die Diagnose Hautkrebs ist mit so vielen Emotionen verbunden, dass die Patienten den persönlichen Bezug brauchen. Wir suchen nach Lösungen, auch mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI): Zwischen zwei Screenings liegen immer zwei Jahre. Das kann für ein Melanom ein (zu) langer Zeitraum sein. Deshalb erproben wir vom kommenden Sommer an, ob KI uns ermöglicht, die Patienten zu triagieren. So müssten nur die zum Hautarzt gehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen positiven Befund haben.

Krankenkassen handeln für das Hautkrebsscreening bei Personen unter 35 Jahren Selektivverträge aus. Was bedeutet das für die Versorgung?
Diese Selektivverträge haben für die Krankenkassen nicht nur einen Marketingcharakter. Denn schwarzen Hautkrebs gibt es auch bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Um diese Altersgruppen zu erreichen, sind Selektivverträge die einzige Option, denn das Hautkrebsscreening wird sicher nicht auf Personen unter 35 Jahren ausgeweitet. Ziel der Verträge ist, Patienten unter Einbeziehung von KI aufzuklären und so die Verdachtsfälle in die Praxen zu bekommen und nicht die Bagatellen. Gerade die edukativen Elemente zur UV-Risikovermeidung, Früherkennung und Selbstuntersuchung sind aus Sicht des BVDD wichtig.

Wie könnten die Bundesbürger in der Breite erreicht werden, um zu erfahren, dass die Heilungschancen von Hautkrebs die besten sind, wenn früh therapiert wird?
Da muss man das ganz große Rad drehen: Am besten erreicht man viele Patienten über Funk und Fernsehen. Die allgemeine Gesundheitskompetenz muss verbessert werden. Wir informieren in der Euromelanoma-Hautkrebskampagne und organisieren z. B. Aktionen in Kindertagesstätten. Das Risikobewusstsein der Patienten, die zum Hautkrebsscreening und zwei, drei Jahre später zu den Folgeuntersuchungen kommen, ist ein Erfolg dieser Kampagnen. Doch sind dem BVDD Grenzen gesetzt. Da sind der Gesetzgeber und die Krankenkassen gefordert. Der verhütete Hautkrebs ist der beste.

Die 8. Nationale Versorgungskonferenz Hautkrebs stand unter dem Motto: „Das gesetzliche Hautkrebsscreening auf dem Prüfstand“. Was gibt es zu verbessern?
Die Evaluation könnte besser werden. Wir dokumentieren zum Teil sehr aufwendig. Dennoch reichen unsere Daten nicht aus, um versorgungsrelevante Effekte nachzuweisen. Die Dokumentation müsste auf die Daten zentriert werden, mit denen wir weiterkommen, ohne auszuufern. Dann geht es um Nachbesserungen beim Untersuchungsumfang. Das Hautkrebsscreening ist nun bald 14 Jahre alt. Da wird es Zeit, es zu evaluieren.

Wäre es sinnvoll, mit der Onkologie enger zu kooperieren?
Die Krebsforschung zu neuen Medikamenten läuft parallel. Zudem ist Hautkrebs eine Volkserkrankung. Nicht nur beim Melanom, sondern gerade bei den vielen hellen Hautkrebsformen, brauchen wir die Kooperation, um Patienten mit fortgeschrittenen Tumorstadien gut zu versorgen.

Zudem müssten die niedergelassenen Hautärzte finanziell besser ausgestattet werden. Die Nachsorgeziffer lässt sich nur für acht Quartale abrechnen. Das kollidiert mit den Leitlinien. Selbst die Patienten, die über die Hauttumorzentren versorgt werden, kommen irgendwann in die Nachsorge. Sie werden in den akuten Behandlungsphasen intensiv betreut. Doch wenn es darum geht, den Erfolg langfristig zu kontrollieren, machen viele Hautärzte das zum Nulltarif. Das ist betriebswirtschaftlich unsinnig, aber medizinisch erforderlich. Tun wir das nicht, sind die Patienten unzufrieden und kommen gar nicht mehr zur Nachsorge. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis wieder Lichtschäden auftreten. Auch das ist ein ganz schwieriges Thema.

Vielen Dank!

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