Recht

Eine Honorarkürzung wegen Verweigerung der Telematikinfrastruktur muss der Arzt hinnehmen

von Rechtsanwältin, Fachanwältin für MedizinR u. SozialR Babette Christophers LL.M., Münster, christophers.de
Die Telematikinfrastruktur (TI) bildet das digitale Gesundheitsnetz für Deutschland. Vertragsärztinnen und Vertragsärzte haben kaum Chancen, sich den anstehenden TI-Anwendungen zu entziehen, wie ein Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 17.03.2021 (Az. L 3 KA 63/20 B ER) bestätigt.

Bestandteile der TI

Mit der TI als Voraussetzung werden bzw. wurden immer mehr digitale Anwendungen in die Vertragsarztpraxen aufgenommen:

  • Das Versichertendatenmanagement (VSDM)
  • Das elektronische Rezept
  • Die elektronische Patientenakte (ePA)
  • Die Kommunikation im Medizinwesen (KIM)
  • Der elektronische Medikationsplan
  • Das Notfalldaten-Management
  • Die qualifizierte elektronische Signatur (QES)
  • Der TI-Messenger

Als erste Anwendung der TI ist das VSDM eingeführt worden, mit dem abgefragt wird, ob die von den Krankenkassen auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeicherten Patientendaten noch aktuell sind. Dazu werden die Informationen auf der eGK beim Arztbesuch online mit den Daten abgeglichen, die bei der Krankenkasse hinterlegt sind. Hierfür hat der Arzt eine Infrastruktur vorzuhalten, die TI.

LSG zu Honorarkürzungen wegen Nicht-Teilnahme

Als Druckmittel zur Einführung der TI hat der Gesetzgeber in § 291b Abs. 5 S. 1 SGB V festgelegt, dass das Honorar der Ärzte, die den Online-Abgleich im Rahmen des VSDM nicht vornehmen, um pauschal 1,0 Prozent im Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 28.02.2020 gekürzt wird. Seit dem 01.03.2020 beträgt der Kürzungsprozentsatz 2,5 Prozent. Von einer Honorarkürzung ist nur abzusehen, wenn der Arzt nachweist, bereits vor dem 01.04.2019 die Anschaffung der erforderlichen Ausstattung vertraglich vereinbart zu haben. Das LSG Niedersachsen-Bremen hatte entschieden, dass eine Honorarkürzung, die aufgrund der vorgenannten Vorschrift erfolgt, sofort vollstreckt, also mit Honoraransprüchen aufgerechnet werden darf. Wenn der Arzt entgegen der gesetzlichen Vorschriften den Onlinedatenabgleich nicht vornimmt, muss die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Honorarkürzung vornehmen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Vorschrift selbst bestehen nicht, da sie allenfalls in die Berufsausübungsfreiheit eingreift, jedoch mit einem legitimen Zweck, sodass der Senat die Vorschrift als verhältnismäßig ansieht.

Argumente des „TI-Verweigerers“ greifen nicht

Der Arzt, gegenüber dem die Honorarkürzung ausgesprochen worden war, hatte vorgetragen:

  • Die TI gefährde die Sicherheit der Patientendaten und verstoße gegen Datenschutzregelungen.
  • Der Datenschutz der Praxis würde durch den Anschluss an die TI korrumpiert, weil Sicherheitsfunktionen wie Firewall und Portsysteme abgeschaltet werden müssten.
  • Die KV habe die Arztpraxen weder ausgewogen noch angemessen informiert.
  • Die TI arbeite nicht zuverlässig; es komme zu Ausfällen, insbesondere bei den Konnektoren.
  • Der finanzielle Aufwand für die TI werde nur unzureichend erstattet und sei für kleinere Praxen unverhältnismäßig.

Diese Argumente greifen aus Sicht des LSG nicht. Der Gesetzgeber bezweckt mit der Sanktion der Honorarkürzung die flächendeckende Einführung des VSDM. Anlass zur Gefährdung von Patientendaten konnte der Senat nicht erkennen, da hierzu wohl auch nichts detailliert vorgetragen worden war. Im Übrigen hat der Gesetzgeber ausreichende Vorkehrungen zur Gewährleistung einer angemessenen Datensicherheit getroffen. Ferner schützt die Rechtsordnung vor unbefugtem Zugriff Dritter oder missbräuchlicher Nutzung der Daten durch entsprechende Strafvorschriften. Die behauptete Unzuverlässigkeit des Systems könne kein Argument sein, überhaupt nicht an dem VSDM teilzunehmen, sondern wäre ggf. eine Erklärung dafür, Onlineprüfungen bei grundsätzlicher Teilnahme nicht durchgeführt zu haben.

Merke
Eine Person, die keinen Nachweis einer Immunisierung und kein ärzt-liches Zeugnis darüber vorlegt, dass sie aufgrund einer medizini-schen Kontraindikation nicht ge-impft werden kann, darf nicht in ei-ner Arztpraxis beschäftigt werden.
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