Facharztweiterbildung: Vertragsstrafe bei Kündigung darf nicht zu hoch sein!
Facharztweiterbildung: Vertragsstrafe bei Kündigung darf nicht zu hoch sein!
von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Medizinrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht Benedikt Büchling, Hagen, kanzlei-am-aerztehaus.de
Sachverhalt
Die Ärztin war auf Basis eines Anstellungsvertrags in einer vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis zum Zwecke der 60-monatigen Weiterbildung zur Fachärztin für Dermatologie und Venerologie beschäftigt. Die Weiterbildungsbefugnis der anstellenden Gemeinschaftspraxis erstreckte sich auf 30 Monate ambulante und 12 Monate stationäre Versorgung, sodass die Ärztin die restliche Weiterbildungszeit bei einem anderen Träger fortführen musste. Der Anstellungsvertrag der Ärztin sah u. a. folgende Regelungen zur Beendigung des Anstellungsvertrags nebst Vertragsstrafe vor:
„§ 11 Vertragsdauer, Kündigung
a) Die ersten fünf Monate des Arbeitsverhältnisses gelten als Probezeit. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.
b) Nach Ablauf der Probezeit wird die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt vor Ablauf des 31.07.2019 (Anm.: das Datum wurde handschriftlich eingefügt) (42 Monate ab Beginn des Arbeitsverhältnisses) ausgeschlossen. Danach kann das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen ordentlich gekündigt werden. Für den Arbeitgeber aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften geltende längere Kündigungsfristen sind auch vom Arbeitnehmer einzuhalten.
c) Das Recht der Parteien zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt. Löst der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis vertragswidrig nach Ablauf der Probezeit, so hat er eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen zu bezahlen, höchstens jedoch eine Vertragsstrafe in der Höhe, die den Bruttovergütungen entspricht, die durch die vertragswidrige Loslösung vom Vertrag bis zum Ablauf des 42-Monats-Zeitraums entfallen. …“
Ende Januar 2018 kündigte die Ärztin dieses Arbeitsverhältnis schriftlich ordentlich zum 28.02.2018. Mitte März 2018 forderte die Gemeinschaftspraxis die Ärztin unter Verweis auf die o. g. Regelung zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von ca. 13.000 Euro auf und erklärte die Aufrechnung mit dem Vergütungsanspruch der Ärztin. Die Ärztin klagte auf Vergütung. Die Gemeinschaftspraxis machte die – der Höhe nach überschießende – Vertragsstrafe im Wege der Widerklage geltend.
Entscheidung
Das BAG sprach der Ärztin in Weiterbildung das beantragte Arbeitsentgelt zu. Den im Wege der Aufrechnung bzw. Widerklage geltend gemachten Anspruch der Gemeinschaftspraxis gegen die Ärztin auf Zahlung einer Vertragsstrafe verneinte das BAG. Bei den im Weiterbildungsanstellungsvertrag getroffenen Vereinbarungen handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Vereinbarung von Vertragsstrafen sei im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge i. d. R. nicht überraschend sei. Es sei jedoch in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Arbeitnehmer durch die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe unangemessen benachteiligt werde. Dies sei vorliegend der Fall, da die Regelung die Gemeinschaftspraxis berechtigen würde, von der Ärztin auch dann eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsverdiensten zu fordern, wenn diese das Arbeitsverhältnis bereits unmittelbar nach Ablauf der Probezeit von fünf Monaten ordentlich gekündigt hätte. Dies führe zu einer unverhältnismäßigen Übersicherung des Arbeitgebers und stelle damit eine unangemessene Benachteiligung der Ärztin gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Dies bedinge die Unwirksamkeit und führe gemäß § 306 Abs. 1 BGB zum ersatzlosen Wegfall der Klausel unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen.
Folgen für die Praxis
Im vorliegenden Fall war die vereinbarte Vertragsstrafe bei vorzeitiger Kündigung zu hoch. Die Entscheidung belegt insoweit, dass die arbeitsvertragliche Gestaltung einer sog. „Vertragsstrafenregelung“ stets einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der konkreten Vertragssituation bedarf. Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne des § 307 BGB kann sich insbesondere aus der Höhe der Vertragsstrafe ergeben. Die Höhe der Vertragsstrafe hat sich regelmäßig an dem Arbeitsentgelt zu orientieren, das der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist erhält. Beträgt die Kündigungsfrist z. B. in der Probezeit nur zwei Wochen, ist eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsgehalts unangemessen und damit unwirksam. Es handelt sich dabei um eine unzulässige „Übersicherung“ des Arbeitgebers.
Die Anstellung eines Weiterbildungsassistenten bedarf gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 3 Abs. 3 Ärzte-ZV der Genehmigung der zuständigen Gremien der KV. Denkbar sind zudem Förderungsbewilligungen in grundversorgenden Fachgruppen, die sich an den Förderungsvereinbarungen der zuständigen KVen orientieren und Teile der Vergütung des Weiterbildungsassistenten kompensieren können. Wegen dieser Genehmigungsvorbehalte ist es gestaltungsrechtlich ratsam, den Weiterbildungsanstellungsvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Genehmigung zur Beschäftigung des Weiterbildungsassistenten abzuschließen. Ferner sollte im Zusammenhang mit befristeten Weiterbildungsanstellungsverträgen beachtet werden, dass die zeitliche Befristung nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung (ÄArbVtrG) nur dann zulässig ist, wenn zum Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung die Prognose gerechtfertigt war, dass eine zeitlich und inhaltlich strukturierte Weiterbildung die Beschäftigung prägen werde. Voraussetzung für eine Befristung nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG ist, dass der anstellende Weiterbilder die bestehenden Prognosen und Planungen, insbesondere nach Weiterbildungsziel, anwendbarer Weiterbildungsordnung, vorgegebenem Weiterbildungsbedarf, erforderlichem Weiterbildungsinhalt und zeitlichem Rahmen, darlegen kann. Ein detaillierter schriftlicher Weiterbildungsplan oder die Aufnahme eines solchen Plans in die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien ist nicht erforderlich.