Systemische Therapie mit Isotretinoin – was ist in der Praxis zu beachten?
Systemische Therapie mit Isotretinoin – was ist in der Praxis zu beachten?
Der Wirkstoff Isotretinoin ist bekanntermaßen teratogen. Die fetale Exposition gegenüber Isotretinoin kann zu kongenitalen Missbildungen führen, auch wenn Isotretinoin nur über einen sehr kurzen Zeitraum eingenommen wird. Um die Zahl der Schwangerschaften unter Isotretinoin zu minimieren und die höchstmöglichen Sicherheitsstandards zu erfüllen, ist für Isotretinoin-Patientinnen ein Schwangerschaftsverhütungsprogramm vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verpflichtend vorgesehen. Dieses Programm soll für den Arzt und die Patientin den verantwortlichen Umgang mit Isotretinoin anhand von Aufklärungsmaterialien, einem Therapiemanagement-Schema und speziellen Maßnahmen bei der Abgabe gewährleisten. Die Anwendung in der täglichen Praxis führt immer wieder zu Fragen – einige dieser Fragen beantwortet Rechtsanwältin Dr. Friederike Goeters von der Kanzlei Möhrle Happ Luther in Hamburg.
Was muss der Arzt aus haftungsrechtlicher Sicht beim Schwangerschaftsverhütungsprogramm beachten?
Das Schwangerschaftsverhütungsprogramm ist Teil der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Aus haftungsrechtlicher Sicht ist es daher für den Arzt wichtig, die Vorgaben des Schwangerschaftsverhütungsprogramms immer einzuhalten. Hierzu zählt insbesondere die Aufklärung zur teratogenen Wirkung, zur Verhütung, die Durchführung der vorgeschriebenen Schwangerschaftstests vor, während und nach der Therapie sowie die sonstigen Vorsichtsmaßnahmen. Die Patientin muss diese Maßnahmen verstehen und damit einverstanden sein. Die Einzelheiten ergeben sich aus den Schulungsmaterialien, einschließlich der dort enthaltenen Checkliste. Die Checkliste und die Zustimmung der Patientin sind in der Patientenakte zu dokumentieren. Der Patientin sollte eine Kopie hiervon ausgehändigt werden.
Gibt es besondere Fälle, bei denen der Arzt haftungsrechtlich besonders aufpassen muss?
Aufgrund der teratogenen Wirkung ist die Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen bei allen Patienten sehr wichtig. Daher sind zum Beispiel alle Patienten, auch Männer, darauf hinzuweisen, dass sie das Arzneimittel mit niemandem teilen dürfen. Auch die Einschränkungen in Bezug auf eine Blutspende sollten erklärt werden. Bei Frauen müssen die zusätzlichen Maßnahmen gemäß dem Programm beachtet und durchgeführt werden, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Besondere Fälle kann es in der Praxis immer geben. Ein Beispiel ist, wenn die Patientin deutsch nicht als Muttersprache spricht. In diesem Fall muss der Arzt sicherstellen, dass die Patientin alles richtig verstanden hat und dies dokumentieren.
Ein weiteres Beispiel aus der Praxis ist, wenn der Arzt Isotretinoin einer noch nicht volljährigen Patientin verordnen möchte. Hier sind zunächst die Altersbeschränkungen der arzneimittelrechtlichen Zulassung zu beachten. In Bezug auf das Schwangerschaftsverhütungsprogramm muss der Arzt sicherstellen, dass sowohl die sorgeberechtigten Eltern als auch die Patientin aufgeklärt und mit den Maßnahmen einverstanden sind. Daher muss die Checkliste in diesem Fall nicht nur von der minderjährigen Patientin, sondern auch von den Sorgeberechtigten unterschrieben werden.
Muss der Schwangerschaftstest in der Praxis durchgeführt werden?
Die Patientin darf den Schwangerschaftstest nicht selbst zu Hause durchführen. Das Programm schreibt vor, dass der Test ärztlich überwacht werden muss. Dies muss durch den verordneten Arzt immer sichergestellt werden. Der Test kann auch in der Praxis des Dermatologen, aber auch beim Hausarzt oder beim Gynäkologen durchgeführt werden. Wichtig ist, dass in jedem Fall die im Programm vorgeschriebenen Fristen eingehalten werden. Das Ergebnis des Schwangerschaftstests ist in der Patientenakte zu dokumentieren.
Muss die Verhütung vor jeder neuen Verordnung angesprochen werden oder reicht dies bei Einstellung?
Das Programm sieht vor, dass die Checkliste auch bei allen Folgeuntersuchungen berücksichtigt werden sollte. Daher empfiehlt sich eine regelmäßige Aufklärung und Dokumentation in der Patientenakte bei den Folgeuntersuchungen.
Unverändert gilt, dass die Kennzeichnung im KVDT-Feld 4103 mit der Vermittlungs-/Kontaktart „1“ für TSS-Terminfälle und „2“ für TSS-Akutfälle erfolgt. Sämtliche Leistungen im Arztgruppenfall werden extrabudgetär vergütet.
Wie kann der Schwangerschaftstest abgerechnet werden?
Bei Kassenpatienten kann nach dem EBM bei einem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt zunächst die Grundpauschale nach Nr. 10211 (143 Punkte/16,43 Euro) abgerechnet werden. Für den Schwangerschaftsnachweis kann je Untersuchung EBM-Nr. 32132 (1,30 Euro) abgerechnet werden. Dabei kann der Schwangerschaftstest selbst nicht gesondert als Sprechstundenbedarf abgerechnet werden.
Im Bereich der Privatliquidation kann für die Beratung Nr. 1 GOÄ (80 Punkte/10,72 Euro, 2,3-fach) berechnet werden. Bei einer ausführlichen Beratung (mind. zehn Minuten) käme die Nr. 3 GOÄ infrage (150 Punkte/ 20,10 Euro, 2,3-fach). Für den Schwangerschaftsnachweis steht Nr. 3529 GOÄ zur Verfügung (150 Punkte/10,05 Euro, 1,15-fach).
Die Verordnung von einem Isotretinoin-Produkt ohne Setzen des Aut-idem-Kreuzes erlaubt einen Austausch in der Apotheke. Ist es aus Gründen der Patientensicherheit sinnvoll, grundsätzlich bei dieser Verordnung eine Substitution durch Aut-idem auszuschließen?
Allgemein gilt, dass ein genereller Ausschluss der Substitution durch das Setzen des Aut-idem-Kreuzes nicht zu empfehlen ist. Ein Ausschluss des Austauschs ist immer patientenindividuell zu begründen. Erforderlich sind hierfür medizinisch-therapeutische Gründe der jeweiligen Patienten. Klassische Beispiele sind Unverträglichkeiten oder Nebenwirkungen. Meiner Auffassung nach können unter Umständen im Einzelfall auch patientenindividuelle Compliance-Gründe das Setzen eines Aut-idem-Kreuzes begründen. Wichtig ist in jedem Fall die patientenindividuelle Dokumentation der jeweiligen medizinisch-therapeutischen Gründe.